Heimatkunde
AULENDORF
24. September 1993 Beilage zu „aulendorf aktuell“
Herbert Hasenmaile
Für die Einwohner Aulendorfs eine Stätte
der Gesundung des Körpers und Geistes …. „
Längst war das Imperium der Römer und mit ihm deren Badekultur vergangen, als im Hochmittelalter die Deut- schen das Badevergnügen und die Freude am Lebensgenuß für sich entdeckten – eine Folge auch der Pest, die in der Mitte des 14. Jahrhunderts Eu ropa schrecklich heimgesucht hatte. Die neue Lust am Körperlichen äußerte sich in vielerlei Formen (in der Mode zum Beispiel), vor allem aber durch die vielen öffentlichen Badehäuser, die in den Städten wie Pilze aus dem Boden wuchsen. Bis dahin kannte man das Baden nur in den Flüssen und Seen, das jetzt aus der Mode kam. Wie lange zuvor bei den Römern, wurden diese Badehäuser zum beliebten und unterhaltsamen Treffpunkt. Kam Besuch, und wollte diesen der Gastgeber mit etwas Besonderem erfreuen, so lud er ihn ins Badehaus ein. Geschwind richtete der Bademeister den Zuber und hübsche Bademägdlein bedienten die Gäste.
In einer Hinsicht war dabei der Bürger der Alte geblieben: am liebsten planschte er immer noch mit einer splitternackten Vertreterin des anderen Geschlechts gemeinsam in der Wanne. Man trank und aß dazu, ließ sich von Musikanten unterhalten und vom Bader waschen, massieren und zur Ader lassen.
Kein Wunder, wenn diese Form des Badespaßes bald zu den schönsten Dingen des Lebens gezählt wurde. Jeder, der es sich leisten konnte, ging ins Badehaus, sooft es ihm möglich war. Was einmal ganz sittsam begonnen haben mag, artete in vielerlei Mißbräuche aus. Von Biberach heißt es dazu in einer Beschreibung des Badebetriebes aus dem Jahre 1673: “ … darunter auch noch einer (nämlich ein Mißbrauch), der nicht der geringste zu merken, daß auch bey uns dieser übele Gebrauch bey vilen sich gefunden, die da zur verkürtzung der Zeit und zur Bade-Cur desto länger, und wol gar continuirlich 24 Stunden im Zuber sitzen blieben, darinnen gegessen, getrunken und geschlaffen haben“; Die Unterhaltung wird dabei nicht immer die anständigste und friedvollste gewesen sein, sonst wäre die gereimte Mahnung in einem Badehaus im Jahre 1688 nicht notwendig gewesen:
„Im Bad und Waschhaus meid anreizendes Geschwätz
zu schnöder üppigkeit, zorn, hader und gefätz:
denn was du sonder nutz, geredt in diesem Leben,
darvon must Rechenschafft dem großen Richter geben“.
Als diese Art Badelust immer mehr aus- und entartete, griffen schließlich die weltlichen und geistlichen Obrigkeiten mit Verboten ein, wetterten Bußprediger gegen die Bade-, Freß- und Saufteufel. Was die Androhung der Höllenstrafen nicht ganz schaffte, erreichte die Syphilis. Seefahrer hatten sie vom neuentdeckten Amerika nach Europa gebracht. Die Krankheit verbreitete sich schnell über den ganzen Erdteil und mit ihr die Vermutung, sie werde durch das Wasser übertragen. Ängstlich wurden jetzt die Badehäuser gemieden, die so schnell wieder verschwanden, wie sie einstens aus dem Boden geschossen waren.
In Aulendorf wußte man von dieser Art Badevergnügen nur vom Hörensagen. Solchen Luxus konnten sich nur die Bürger der Städte ermöglichen. Auch die „Tunke“ der jüdischen Gemeinde, zu der nach dem 30jährigen Kriege bis 1693 etwa 20 bis 30 Familien zählten, muß in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Ihre Badestube im Gasthaus zum Rad diente weniger dem Badespaß, als vielmehr den durch das Mosaische Gesetz vorgeschriebenen rituellen Bädern und Waschungen.
Während in den Städten die Badelust höchste Wellen schlug, mußten sich die Aulendorfer recht bescheiden. Sie konnten, wenn sie überhaupt badeten, diesem Freizeitvergnügen nur in der Schussen nachkommen. Aus dem Jahre 1873 gibt es die Nachricht, daß einige Bürger einen Verein gegründet haben mit dem Ziel, an dem flüßchen einen bescheidenen Badeplatz herzurichten. Nur spärliche Hinweise sind darüber vorhanden, die es bis jetzt nicht einmal erlauben, die genaue Stelle dafür herauszufinden. Lediglich ein paar Rechnungen und die Kostenzusammenstellung aus dem Jahre 1874 sind überliefert:
„Die Erweiterung und Herstellung des Badeplatzes an der Schussen verursacht folgende Kosten:
an Xaver Welte für Abtretung des Weges = 15 Gulden
an Zimmermeister Butscher für Arbeit = 5 Gulden 21 Kreuzer
an Kaufmann Klotz für Rupfen = 3 Gulden 51 Kreuzer
an Polizeidiener Gelder für Aushilfe bei Errichtung des Verschlages = 1 Gulden 18 Kreuzer
an Amtsdiener Schmid für den Einzug 30 Kreuzer zusammen = 26 Gulden
52 Mitglieder zählte die Badegesellschaft, so daß jeder 30 Kreuzer beisteuern mußte, die der Gemeindeamtsdiener einsammelte (1 Gulden = 60 Kreuzer).
Als Umkleide diente vermutlich ein einfacher mit Rupfen ausgekleideter Bretterverschlag. Denkbar ist auch noch eine Plattform, die ein Stück in die Schussen reichte. Es blieb nicht bei dem einen Badeplatz. Bürgermeister Vochezer berichtet davon in seinen Aufzeichnungen „Rückblick auf 100 Jahre Aulendorf 1838-1938“ leider nur ganz allgemein: „Früher befanden sich an der Schussen entlang sehr primitive Badehäuschen. Eines für Männer, ein solches für Knaben. Eines für die Frauen beim Spital und etwas weiter unten noch eines für die Mädchen“.
1911 erhielt das öffentliche Baden in Aulendorf eine neue Qualität – dank eines hochherzigen Mäzens.
Lesen Sie jetzt erst einmal den Text der Schenkungsurkunde!
Aulendorf Oberamt Waldsee Schenkungsurkunde über das von Herrn Heinrich Härle , Oekonomierat in Aulendorf, auf Parzelle N r. 934 = 50 a 26 qm an der Staatsstraße nach Saulgau erbaute Schwimm- und Luftbad §1 Dieses Schwimm- und Luftbad trete ich einschließlich der Parzelle Nr. 934 an die Gesamtgemeinde Aulendorf ab. §2 Zu Gunsten der Parz. Nr 934 habe ich im Grundbuch von Aulendorf das Recht eintragen lassen, daß für alle Zeiten das zum Betrieb eines Schwimmbades nötige Wasser aus dem Mahlweiher – Parz. Nr. 1067 – entnommen werden kann (zu vgl. Vertrag vom 7. August 1911) §3 Bei der Errichtung des Bades hat mich der Gedanke geleitet, für die Einwohner Aulendorfs eine Stätte der Gesundung des Körpers und Geistes zu gründen und damit eine soziale und hygienische Einrichtung zu schaffen, deren Wirkung, wie ich hoffe, sich in beiden Beziehungen gleich günstig bemerkbar machen wird. §4 Um dies nach Möglichkeit zu bezwecken bestimme ich: a) Schulkinder erhalten Freibäder; b) bis zum einschließlich 18. Lebensjahr darf nur die halbe Taxe erhoben werden; c) es sind Jahres-, Familien- und Abonnementskarten auszugeben; d) für Reinigung, Aufbewahrung und Trocknen der Badesachen ist für die einzelne Person eine Gebühr festzusetzen, die der Badefrau zufällt; das Geben von Trinkgeldern ist zu verbieten. §5 Da es von allgemeinem Interesse sein dürfte, festzustellen, wieviel Bäder alljährlich abgegeben werden, übergebe ich 10 Abreiß-Blocks mit je 15000 Nummern, voraussichtlich für 10 Jahre reichend. Jedes Badende hat beim Betreten des Bades bei der Badefrau eine Nummer zu verlangen, so daß sich die Zahl der Bäder von selbst und ohne Mühe ergibt. §6 Der Badefrau ist zur Pflicht zu machen und durch strenge Überwachung der einzelnen Aus- schußmitglieder ist dafür zu sorgen, daß a) die Badezeiten gen au eingehalten werden, b) für jedes Bad eine Karte abgegeben wird, c) das Badebassin, die Zellen usw. reinlich gehalten werden, d) während des Badens keinerlei Unfug getrieben wird, e) sie Verfehlungen gegen die Badeordnung zur Anzeige bringt, f) auch in der Sauberkeit des Bades für gründliche Ordnung und Sauberkeit gesorgt wird. §7 Obgleich das Schwimmbad vollständig in den Besitz der Gemeinde übergeht, so wünsche ich doch der Leitung der Badeanstalt einen mehr privaten Charakter zu geben. Demgemäß bestim- me ich, daß ein Ausschuß von fünf Mitgliedern eingesetz wird. Als ständige Mitglieder sollen demselben angehören: 1. der Ortsvorsteher, 2. der Schulvorstand, als zu wählende Mitglieder: 3. ein Arzt, 4. zwei Gemeinderatsmitglieder. Die Wahl der letzteren hat alle sechs Jahre durch die vereinigten Gemeindekollegien zu erfol- gen. Für die erste 6jährige Periode bestimme ich als Mitglieder des Badeausschusses die Herren Dr. Visino und Xaver Pfahl, so daß das zweite Gemeinderatsmitglied durch die Gemeindekollegien zu wählen ist. §8 Dem Ausschuß liegt ob: a) die Überwachung des Bades und des Platzes, b) die Festsetzung der Badegebühren und der Badezeiten. c) die Anstellung der Badefrau, d) der Entzug des Baderechtes bei Verfehlungen gegen die Badeordnung. e) die alljährliche Abrechnung. §9 Die Nutzung des Grundstückes Parz. Nr. 934, soweit dasselbe von dem Schwimmbad nicht bedeckt ist, steht dem Vorbesitzer Josef Anton Hartnagel und dessen Ehefrau Kreszens, geb. Müller, während deren Lebenszeit zu. Die Gemeinde tritt daher erst mit dem Ableben der Vorgenannten in den vollen Besitz des Grundstückes. §10 Hinsichtlich der Einnahmen aus den Bädern und dem Grundstück bestimme ich, daß dieselben nur zu Gunsten des Schwimmbades und Grundstücks verwendet werden dürfen. In meinem Sinne würde es liegen, wenn das Grundstück später als Anlage angelegt würde, damit das Badegelände einen entsprechenden Rahmen bekäme. §11 Mit der Übernahme des Bades ist für die Gemeinde ein gewisses Risiko verbunden. Ich suchte dasselbe dadurch möglichst herabzumindem. daß ich das Bad und die Umfassungsmauern ganz aus Beton herstellen und soweit Holz notwendig, nur imprägniertes, wetterbeständiges verwenden ließ. Die Unterhaltungskosten dürften sich deshalb in der Hauptsache auf die Bezahlung der Badefrau beschränken, welcher Betrag wohl leicht durch die Badegebühren anfallen dürfte.Ich hoffe deshalb, daß die Gemeinde und die Einwohner nur Freude an dem Bade erleben werden, womit mein Wunsch und der Sinn des Geschenkes erfüllt wären. Aulendorf, 24. August 1911 Heinrich Härle, Ökonomierat |
Ökonomierat Heinrich Härle lebte von 1872 bis 1911 mit seiner Familie hier in Aulendorf. Vorn Grafen hatte er das Bräuhaus gepachtet. Mit seinen zwei Söhnen entwickelte er die „Härle-Brauerei“ zu einern gut florierenden Unternehmen. 1911 zog er auf sein Gut Kartäuserhof bei Koblenz. Die Badeanstalt war gewissermaßen sein Abschiedsgeschenk an die Aulendorfer, aber nicht sein einziges. Vorher schon hatte er einige Äcker am Nordrand des Galgenbühls der Gemeinde vermacht. Als nach dem 2. Weltkrieg schnell Wohnungen gebaut werden mußten, waren die Gemeindeverantwortlichen froh, über diese Grundstücke als Bauland verfügen zu können. Und ein weiteres Mal zeigte er sich als Wohltäter. Er stiftete einen Schulfonds, aus dem die notwendigen Lernmittel für Kinder aus armen Fa milien bezahlt wurden.
Die Aulendorfer hatten also allen Grund, dankbar zu sein. Und sie waren es auch. Zu seiner Ehre nannten sie eine Straße nach ihm. Kurz vor seinem Umzug nach Koblenz würdigte der Gemeinderat „die unzähligen Wohltaten von Heinrich Härle mit dem einhelligen Beschluß, ihm die Ehrenbürgerrechte der hiesigen Gemeinde zu erteilen … und eine öffentliche Abschiedsfeier zu veranstalten“ (Gemeinderatsprotokoll vom 24. Oktober 1911). Ökonomierat Härle starb 1923 an seinem neuen Wohnsitz. Er war der erste Ehrenbürger Aulendorfs.
Doch jetzt wieder zurück vom Schenker zum Geschenk. In einem Vertrag war vom Grafen, Eigentümer des Mahlweihers, „dem jetzigen Besitzer der Badeanstalt“ das Recht eingeräumt worden, das nötige Wasser für das Schwimmbad vom Mahlweiher zu entnehmen „und zu diesem Zwecke sämtliches während des Tages dem Weiher entströmende Wasser durch das Schwimmbad zu leiten“ (Vertrag vom 22. September 1910). Aus diesem Bassin floß das Wasser ab in den Ortsbach, der es zur Herrenmühle leitete.
Damit auch bei Niedrigwasser der Badebetrieb möglich war, durfte in diesem Falle Müller Karl Gresser (Großvater des jetzigen Mühlenbetreibers Theo Vogel jr.) „nur während der Tagesstunden mahlen, so daß möglichst während des ganzen Tages frisches Wasser durch das Wasserbecken fließt.“ Der Weiherbesitzer verpflichtete sich noch zusätzlich, „in arg trockenen Zeiten, wenn nicht täglich gemahlen wird, jeden Vormittag soviel Wasser in das Bassin einlaufen zu lassen, daß dieses wieder voll ist, und außerdem das Schwimmbad wenigstens zweimal wöchentlich vollständig frisch zu füllen“. Die Wasserzufuhr war also gesichert, aber die Wasserqualität bereitete der Gemeindeverwaltung immer wieder Probleme.
Die Verwirklichung seiner Idee, den Einwohnern Aulendorfs eine „Stätte der Gesundung des Körpers und Geistes zu schaffen“ , ließ sich Ökonomie rat Härle rd. 5000 Mark kosten. Soviel mußte er für den Bau berappen. Dazu kamen noch die Grundstückskosten, alles in allem damals eine beachtliche Summe Geldes. Gibt es einen Hinweis, durch was diese edle Tat ausgelöst worden ist? Sehr wahrscheinlich war es das Beispiel eines Stockacher Bürgers, der seiner Vaterstadt zwei Jahre zuvor eine Badeanstalt geschenkt hatte, „wahrlich eine fürstliche Gabe“, wie es in der Denkschrift zur Übergabe und Eröffnung dieses Bades hieß, und die den Stifter zu „jenen zählt, die als wirkliche Wohltäter der Stadt in aller Zeit mit dankbaren Gefühlen ehrend genannt werden“. Ob sich noch heute in Stockach jemand an ihn erinnert? Warscheinlieh so wenig wie die Aulendorfer an den Erbauer ihres ersten Badehauses. Die Planung der Schwimmanstalt am Mahlweiher war derjenigen in Stockach ähnlich, nur daß diese etwas größer angelegt war. Die von der dortigen Stadtverwaltung aufgestellte Badeordnung diente hier als Muster.
Am Samstag, 3. Juni 1911, kamen die ersten Badelustigen in das Schwimmbad. Die Badezeiten und Eintrittspreise verrät das Faksimile. Solange die Badeanstalt bestand, änderte sich daran kaum etwas, sieht man von den Inflationsjahren 1922 und 1923 einmal ab. Die Annahme des Stifters, daß jährlich wohl zehn- bis fünfzehntausend Badende das Haus am Mahlweiher besuchen werden (Schenkungsurkunde: ,,10 Abreißblocks mit je 15000 Nummern, voraussichtlich für 10 Jahre reichend“), war doch sehr utopisch, wie sich bald zeigte. 1912 wurden 11 Familienkarten und 46 Zehnerkarten verkauft. Für Einzelbäder und an Leihgebühren für Schwimmgürtel konnte die Badefrau 78,40 Mark kassieren. Die Zahlen schwankten in den folgenden Jahren nur wenig. 1927 z. B. wurden 11 Familien-, 12 Zehner-, 731 Einzel- und 35 Jahreskarten – 1924 eingeführt – verkauft. Trotzdem konnte fast jedes Jahr ein kleiner Überschuß für die Gemeindekasse erwirtschaftet werden. Die Badefrau erhielt in den ersten Jahren 120 Mark für die ganze Saison und für das Reinigen des Beckens alle 3-4 Wochen noch jedesmal 2,50 Mark. Im Inflationsjahr 1923 stiegen die Eintrittspreise auf das Tausendfache an. „Am 10. Juli dieses Jahres wurden von der Badefrau Maria Späth vorläufig übergeben 140000 Mark, Badefrau- Belohnung per Abschlag 40000 Mark“ . Resigniert fügte Schultheiß Bammert zu diesen Zahlen noch die Bemerkung an: „Alle weiteren Aufzeichnungen sind durch die rapide Geldentwertung und spätere Wertlosigkeit . des Papiergeldes hinfällig geworden. Die noch vorhandenen 100574 Papiermarkscheine gleich 0 Goldmark“. Die Ziffer 0 unterstrich er gleich mehrmals.
Bald nach der Währungsreform im November 1923 erholte sich das wirtschaftliche Leben sehr rasch. 1924 galten bereits schon wieder die Eintrittspreise der Vorkriegszeit.
In den 30er Jahren kam das Aus für die Badeanstalt am Mahlweiher. Der Steeger See wurde ihr großer Konkurrent, der die Sonnenhungrigen und Badefreudigen von Jahr zu Jahr mehr anzog als das kleine geschlossene Badehaus. Und auch das Herumtollen an und in der Schussen war nach wie vor beliebt, besonders unter der Schuljugend:
„Rugetsweiler, den 21. Mai 1930
Betreffs dem öffentlichen Baden auf meiner Schussenwiese, auf welcher ungefähr so jedes Jahr 300 Personen gebadet haben von Aulendorf, möchte ich das Bürgermeisteramt dringend bitten, daß das öffentliche Baden ohne Badhaus auf meiner Wiese nicht mehr geduldet wird. Ich halte es für eine na-
tionale Sache.
Bitte um ortsübliche Bekanntmachung.
Achtungsvoll Johann Geiger“.
Ob und wie die Gemeinde diese „nationale“ Sache 1930 regelte gibt es keinen Hinweis. Drei Jahre später wurde ein Badeverbot in der Schussen verfügt, wahrscheinlich mit wenig Erfolg. Überhaupt änderte sich der Geist der Zeit. Das Baden, streng getrennt nach Frauen und Männern, Mädchen und Jungen, wurde immer mehr als überholt empfunden. Zuletzt gingen in die Badeanstalt am Mahlweiher nur noch wenige ältere Leute.
Im Stadtarchiv fehlen die Gemeinderatsprotokolle von 1934-1945. Nach dem Kriege soll sie ein franz. Offizier abgeholt und nicht wieder zurückgebracht haben. Daher ist nicht bekannt, wann die Badeanstalt am Mahlweiher geschlossen wurde. Andere Akten dazu sind nicht auffindbar.
Am 24. Juni 1939 schrieb der Sohn Karl des Ökonomierats Heinrich Härle den folgenden Brief an Bürgermeister Vochezer:
„Im Dritten Reich besteht die Forderung, daß in jeder Gemeinde, auch auf dem Lande, Bade-Anlagen für die Bevölkerung geschaffen werden müssen. Dieser Forderung hat mein verstorbener Vater, der Ehrenbürger der Gemeinde Aulendorf, schon im Jahre 1910 Rechnung getragen. Er hat den gesundheitlichen Wert und die Wohltaten eines Volksbades erkannt und hat vor seinem Wegzug der Gemeinde Aulendorf eine schmucke Bade-Anstalt übergeben. So kam die Gemeinde durch die Stiftung meines Vaters schon sehr frühzeitig in den Besitz dieser segensvollen Einrichtung, deren Wert und Annehmlichkeit von den Bewohnern Aulendorfs und hauptsächlich auch von der Schule und deren Lehrern anerkannt wurde. Es hat ja ein großer Teil der Aulendorfer Jugend in dieser Anstalt das Schwimmen erlernt. Aber nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen, Männer und Frauen, haben gerne und fleißig die nahegelegene Bade-Anstalt besucht.
Nun höre ich zu meinem großen Bedauern, daß seit zwei Jahren das Bad nicht mehr benutzt wird. Eine Einrichtung, die mit großen Kosten erbaut und die als dauernde Einrichtung geplant und in die Obhut und das Eigentum der Gemeinde übergeben worden ist, hat nach einer 27jährigen Benutzung aufgehört zu bestehen! Ich muß fragen, ob diese Stiftung dieses Schicksal verdient hat. Ich weiß, daß Aulendorf nun ein schönes Strandbad sein Eigen nennt. Ich frage nun wiederum, ob neben dem modernen Strandbad nicht auch das kleine Schwimmbad existenzberechtigt war. Für viele, hauptsächlich die Bewohner des Oberdorfes, ist es doch ein sehr weiter Weg zum Steegersee und für ältere Leute und auch für Kinder ist doch zweifellos das Bad am Mahlweiher günstiger gelegen. Ich würde es sehr bedauern, wenn die Stiftung meines Vaters dem Verfall überlassen würde und hoffe sehr, daß die Gemeindeverwaltung sich entschließt, das Bad seinem Bestimmungszwecke zu erhalten.
Gut Kartäuserhof
Karl Härle
Bürgermeister Vochezer begann sein Antwortschreiben mit dem Hinweis, daß es keineswegs leichten Herzens geschehen sei, „die Badeanstalt beim Mahlweiher, die eine ehrenvolle und heute noch anerkennenswerte Stiftung Ihres sel, Vaters war, zu verlassen und deren Betrieb ganz einzustellen. Und es ist auch zutreffend, daß diese Badeanstalt von manchen Personen, zumal älteren, vermißt wird“. Er zählte dann aber die Gründe auf, die diese Entscheidung als sinnvoll erwiesen: „Um den heutigen Ansprüchen auch nur einigermaßen noch gerecht werden zu können, wären recht kostspielige Ausbesserungen und Verbesserungen Notwendigkeit gewesen. Der Boden, der sich ganz schlecht hielt, wäre neu herzustellen gewesen, wie auch die Kabinen nebst der ganzen Einrichtung an Badeutensilien etc. der Ergänzung, bzw. Erneuerung bedurft hätten. Ein Zweifel kann auch darüber nicht bestehen, daß trotzdem der Besuch auf ein Minimum gesunken wäre und es sich niemals gelohnt hätte, größeren Aufwand zu machen…
Dieses Bad aber etwa weiter auszubauen oder auch nur mit großen Kosten wieder instand zu setzen, mußte auch schon deswegen ausscheiden, weil die Wasserverhältnisse immer ungünstiger wurden. Schon von Anfang an lag die Gemeinde in ständigem Kampf mit dem Herrenmüller. Bei nur halbwegs trockener Witterung war überhaupt zu wenig Wasser im Weiher, so daß es öfters vorkam, den Badebetrieb einstellen zu müssen“. Das Gemeindeoberhaupt wies noch weiter darauf hin, daß der Ausbau des Steeger See-Bades viel Geld gekostet hatte. „Nebenbei noch eine weiteres Bad zu erhalten und zu finanzieren ging und geht mit dem besten Willen nicht mehr“.
Das Fazit des Briefes: „Ich darf wohl hoffen, daß Sie sich nach dieser Aufklärung beruhigen und das Vorgehen der Gemeindeverwaltung nicht weiter zu beanstanden finden werden. Es lag dieser natürlich mehr als fern, sich einer pietätlosen Handlung schuldig machen zu wollen, und es liegt eine solche tatsächlich auch nicht vor!“ Zum Schluß informierte der Aulendorfer Rathauschef den Sohn des Stifters noch darüber, was mit dem Geschenk seines Vaters weiter beabsichtigt ist: „Nicht allzulange mehr wird die Badeanstalt brach liegen, denn es ist geplant, sie künftighin in ein Luftschutzübungshaus umzugestalten, was sich ohne großen Kostenaufwand gut und zweckmäßig bewerkstelligen läßt. Dadurch wird dieses Gebäude dann einer würdigen Aufgabe im Rahmen der Landesverteidigung zugeführt“ .
Das Umfunktionieren der „Stätte für die Gesundung des Körpers und Geistes als eine soziale und hygienische
Einrichtung“ in eine solche für „würdige Aufgaben im Rahmen der Landesverteidigung“ spiegelt im kleinen die Zeitgeschichte von damals wider.
1948 kam schließlich auch das Ende des einstigen Badegebäudes. Bei der „alten Schule“ an der Hauptstraße und der Hausmeisterwohnung daneben war schon lange eine Dacherneuerung fällig. Doch während des Krieges und in den ersten Jahren danach gab es nicht die notwendigen Dachziegel dazu. Die Firma Gebrüder Stark, die damals noch solche in Zollenreute fertigte, mußte ihre ganze Produktion zur Behebung der Bombenschäden durch die alliierten Fliegerangriffe bereitstellen. In einer Sitzung des Gemeinderates am 20. Mai 1948 machte ein Ratsmitglied darauf aufmerksam, daß die Dachplatten auf der einstigen Badeanstalt am Mahlweiher „Zug um Zug gestohlen werden“. Noch in der gleichen Sitzung wurde der Beschluß gefaßt, „die Dachplatten und sämtliches Gebälk, überhaupt alles, was von der früheren Badeanstalt zu irgend- welchem Zweck der Gemeinde verwendbar ist, abtragen zu lassen und vor allem die Dachplatten zum Dachumschlagen des alten Schulhauses und der Hausmeisterwohnung bereitzustellen, sowie mit beiden Arbeiten – Abbruch der Badeanstalt und dem Dachdecken – alsbald zu beginnen“ (Gemeinderatsprotokoll vom 20. Mai 1948).
Nach der Zerstörung der ersten Badeanstalt hier in Aulendorf vor etwa 1700 Jahren widerfuhr also auch der zweiten Badestätte das gleiche Schicksal. Auch sie fiel der Spitzhacke zum Opfer. 1951 stellte die Stadt den Antrag auf Verlängerung des Rechts der Wasserentnahme aus dem Mahlweiher. Geplant war der Bau einer Wassertretstelle auf dem Platz des einstigen Schwimmbades. Ausgeführt wurde diese Absicht aber nicht.